Der Grundstein wird gelegt
Wann genau das Anwesen des Lechtaler Bauern Josef Ignaz Lang erstmals errichtet worden ist, ist unklar. Laut Oskar Wechner brannte das Haus Elbigenalp 30 im Jahr 1688 ab und dürfte daraufhin neu aufgebaut worden sein.
neue Perspektiven
Der Maler Josef Anton Köpfle (1775-1843) aus Höfen hat um 1800 das Haus offenbar aus besonderem Spaß an der Perspektive bemalt. An der Augsburger Akademie geschult, meisterte er das perspektivische Zeichnen und verlieh den klassizistischen Dekorationen eine beeindruckende Tiefenwirkung – ganz ohne Figuren.
Die kunstvoll bemalte Fassade, mit kannelierten Pilastern und einem illusionistischen Portal, verwandelt das Gebäude in einen „Palazzo“ und zieht Betrachter*innen durch die raffinierte Magie des Fluchtpunktes unweigerlich in den Bann.
Das Erbe des Josef Ignaz Lang
Die Hauschronik berichtet vom großen Vertrauen, das die Tiroler Bevölkerung seit jeher in die Rechtschaffenheit und Verwaltungstüchtigkeit der Barmherzigen Schwestern hegte. Deshalb wurde manches Hab und Gut vor dem Tod seines Besitzers durch ein Testament den Schwestern als Erbteil vermacht. Er starb am 8. Mai 1864.
„Da ich keine Noterben habe und meine nächsten Verwandten eigenes Vermögen besitzen, so vermache ich meine gesamtes Vermögen -... – dem ehrwürdigen Orden der Barmherzigen Schwestern im Lande Tirol.
Wenn der Orden zur Zeit meines Ablebens in unserem Vaterlande aufgehoben sein sollte, so bestimme ich mein ganzes Vermögen für die Nordamerikanischen Missionen zur Beförderung des Katholischen Glaubens und Gottesdienstes.
Als besondere Legate bestimme ich 300 fl. für das Taubstummeninstitut in Hall, 300 fl. für meine Mutterkirche St. Nikolaus in Elbigenalp und endlich 300 fl. für meine Köchin Katharina Ulfes für ihre Dienste, die sie meinem Vater in seiner letzten Krankheit erwiesen hat, und mit Rücksicht auf ihre Armut, ihre Diensttreue und ihren Fleiß in unserem Haus.
Damit aber der Zweck des Testamentes, die Beförderung der Ehre Gottes und des Gottesdienstes und der tätigen Nächstenliebe sicherer erreicht wird, überlasse ich die Wahl des Testamentesexekutors dem jeweiligen Bischof von Brixen mit der Bitte, dass alles buchstäblich erfüllt werde nach meinem letzten Willen.
Die Bücher sollen der Pfarrbibliothek in Elbigenalp gehören, die Kleider würdigen Armen. Das Leichenbegängnis sei ohne alle Feierlichkeit. Die heiligen Messen sollen ohne allen Verschub zur Hälfte vom Herrn Pfarrer, zur Hälfte vom Herrn Frühmesser gelesen werden und bestimme ich 60 fl. und 100 fl. zu einem Requiem für mich, alles in Reichswährung.“
Josef Ignaz Lang, m.p. Elbigenalp, am 31. Dezember 1848
Ankunft der Barmherzigen Schwestern in Elbigenalp
Die Hauschronik berichtet weiter: „Das Mutterhaus war mit seinen Bestimmungen einverstanden und sandte drei Schwestern, die am 10.11.1865 in Elbigenalp ankamen, um ½ 3 Uhr nachmittags von der ganzen Gemeinde feierlich empfangen. Vier Kutschen waren nach Reutte gefahren, um die Schwestern herbeizubringen. Da aber nur drei ankamen, musste einer leer heimfahren, worüber der Fahrer sich sehr beschämt fühlte und erzürnt war. Im Dorf waren alle Ortsbewohner*innen vor der Kirche versammelt, wo die Schwestern abstiegen und in die Kirche begleitet wurden wie ein Pfarrer. Der Herr Pfr. Trenker nahm sich in allen Belangen der Schwestern an.“
Er hat aber von dem Lang’schen Vermögen viel für die Gemeinde verwendet und für Student*innen, sodass er später über fürstbischöflichen Erlass 600 fl. ersetzen musste. Überhaupt waren die Schwestern vielfach der Willkür der Verwalter des Langschen Erbes ausgesetzt.
Natürlich hatten die Verwandten von Josef I. Lang keine große Freude mit seinem Testament, da sie sich einen schönen Zuwachs zu ihrem Vermögen erhofft hatten. Ein Student las beim Begräbnis das in Latein abgefasste Testament laut vor und bedeutschte es ihnen. Sie blieben daraufhin nicht einmal beim Leichenschmaus.
Die Nutzung als Schule
Mit der Übernahme des Hauses durch die Schwestern fing Sr. Hieronima Gander mit der einklassigen Mädchenschule an. Das Klassenzimmer war im Schwesternhaus.
Seit 1760 gab es im Ort eine geordnete Schule. Ein Klausner aus Füssen namens Biskolin hatte gegen geringes Entgelt für 20 Jahre den Unterricht übernommen. 1827 wurde eine zweite Klasse eröffnet und ein Schulgehilfe angestellt. Dieser erhielt jährlich 400 fl. Entlohnung.
Als die Schulschwester kam, war die Freude groß, besonders wegen der Handarbeit für die großen und kleinen Mädchen. Die Schülerinnen lernten ohne viel Mühe das für sie Nötige. Die Schwester war vom Mutterhaus gratis beigestellt in Rücksicht auf das Langsche Erbe. Die Mädchenschule war von 1865 bis 1882 und von 1886 an im Schwesternhaus.
„Die Schwestern lebten allezeit sehr kümmerlich. Sie mussten alles, was sie brauchten teuer bezahlen. Sie sollten vom Pacht, der ohnehin nur minimal war, leben. Oft war Not im Haus und am Tisch und das Mutterhaus musste aushelfen, zum Beispiel für den Bau einer Waschküche und eines Brunnens, der hinter dem Haus gegraben wurde, der aber bald wieder einging, so dass jeder Tropfen Wasser vom Dorf heraufgeschleppt werden musste.“
Die Zeit des Nationalsozialismus
Die Schwestern widmeten sich ganz der Schule und alles war mit ihren Erfolgen zufrieden. Freilich war die Zeit der Dreißigerjahre schon vom Nationalsozialismus vorgeprägt und sehr unruhig. Auch in den Bubenköpfen des oberen Lechtals spukte ein gewisser Herr Hitler herum, der schließlich „ihr Führer wurde“.
Sr. Emerika schrieb in einem Brief, der ins Ausland ging und geöffnet wurde: „Unser Führer ist Jesus Christus“. Wenige Tage darauf fuhr ein Polizeiauto am Schulhaus vor und lud die Lehrerin ein, in Begleitung eines Gendarmen nach Innsbruck zu fahren. Dort hatte sie am Landesgericht nachzudenken über die Unvorsichtigkeit ihrer Äußerung.
Als Lehrerin war Sr. Emerika nun abgebaut, wie auch alle anderen geistlichen Lehrpersonen. Sie tat den Dienst in der Pfarrkanzlei, wo es wegen der Ahnenforschung sehr viel zu tun gab. Auch brauchte man sie oft zur Pflege kranker Dorfbewohner*innen, wenn kein Arzt/keine Ärztin erreichbar war. Sr. Joh. Pia besorgte nach wie vor das Haus. Immer wieder sollte der Langsche Besitz enteignet werden, aber es blieb beim Alten. Auch die Einrichtung blieb unberührt.
Das große Schulzimmer und ein Nebenraum wurden Hitler-Heim für die Knaben. Das Zimmer neben der Küche wurde als Untersuchungsraum für „Mutter und Kind“ adaptiert. Sr. Joh. Pia und Sr. Salesia hatten schließlich nur mehr einen armseligen Raum für sich.
Sr. Bona war Lehrerin in Holzgau gewesen. Sie wurde nun nach Elbigenalp versetzt und die beiden Schwestern von Elbigenalp nach Häselgehr.
Sr. Bona hauste mehrere Jahre allein, bis sie endlich 1946 eine Hilfsschwester bekam und in den Wintermonaten mit deren Hilfe eine Nähschule betreiben konnte, was die Mütter der Gemeinde dankbar anerkannten.
Nach dem 2. Weltkrieg
Ab 1947 gaben die Schwestern wieder Unterricht in der Volksschule. Seit 1979 wurde von Sr. M. Edeltraud, die von 1968 bis 1997 in Elbigenalp lebte und unterrichtete, nur mehr Privatunterricht gegeben und der Organistendienst in der Pfarrkirche versehen. Sie hatte in den Jahren, als es noch kaum Hauptschulen gab, so eine Art Internat im Haus für Schülerinnen und Schüler geführt, um ihnen den Schulbesuch zu ermöglichen. Später waren Schüler*innen der Schnitzschule im Haus untergebracht. Als 1997 Sr.M.Edeltraud ins Mutterhaus übersiedelte, war zunächst nicht klar, ob das Haus aufgegeben wird oder nicht. 1999 fasste der Generalrat den Beschluss, das Schwesternhaus in Elbigenalp renovieren zu lassen, um das Haus als Urlaubsort für die Schwestern attraktiv zu machen, aber auch in Hinblick darauf, für unsere Mitarbeiter*innen in den Einrichtungen der Kongregation einen Ort der Schulungsmöglichkeit zu schaffen.
Sr. M. Edeltraud hatte so manches nach ihrem Geschmack im Haus „verbessert“, allerdings bisweilen so, dass es einem alten Bauernhaus gar nicht bekömmlich war, z.B. Teppichböden hineinlegen lassen, die Zentralheizungsrohre wurden alle quer durch die Räume geführt, das Getäfel war zum Teil mit Tapeten überklebt worden.
Im Stall hatte sie ein Räumchen für Urlaubsgäste zimmern lassen, aber es war finster und feucht dort, für den weiteren Ausbau also nicht geeignet.
So wurden Stall und Stadel abgerissen und neu in Holzbauweise wieder aufgebaut, da die Hausform mit ihren schönen Malereien unter Denkmalschutz steht und nicht verändert werden durfte. In diesem neuen Teil gibt es nun im Dachgeschoss eine geräumiges Mehrbettzimmer mit Waschraum und WC, im ersten Stock zwei Einzel- und zwei Zweibettzimmer, im Parterre ein Einbettzimmer, einen schönen Gebetsraum und zwei Kellerräume.
Auch im eigentlichen Wohnhaus wurden alle Räume saniert. Im Dachgeschoss gibt es nochmals ein Zimmer mit vier Betten, im ersten Geschoss drei Zimmer und eine schöne Stube mit Kachelofen, im Parterre eine gut ausgerüstete Küche, einen Speiseraum und einen Seminarraum, der wieder die Größe der ursprünglichen Klasse hat.
Das Seminarhaus heute
Seitdem wird das Haus vielfältig als Seminar- und Erholungsort für die Schwestern der Ordensgemeinschaft sowie für Gäste aus nah und fern genutzt. Schwester M.Verena versorgt das Haus und seine Gäste seit 25 Jahren mit unermüdlicher Hingabe und ist auch eng in die örtliche Pfarre eingebunden.